Freitag, 20. Juli 2012

Las grad  einen Satz über die Deutsch-deutsche Vereinigung damals. Und stolpere über Ver-Einigung. Und dass mir Einigung doch allemal lieber ist. Und da fällt mir ein uralter Text ein, an dem ich bis heute immer mal herumäkele und wurschtele. Aber die Erfahrung dahinter, die gab es wirklich:-)



Einigung 1990
für Petra in Essen

Den vom Streit gebrochnen Zäunen
trau ich
wie dem Einfahrtsignal -
und fliehe
den Empfang, 
vor freundlicher Fassade,
mit der einen Hand,
die in der Tasche fühlt den Rückfahrschein.

Als wir verstummen
am Abend,
reisen die Blicke lange über den Tisch,
an dem wir uns
auseinander setzten:

Verspätete Ankunft erst
bei deinem Gesicht,
dessen Augen auch Einlass gewähren
in Weite,
die sich zur Grenze nennt: Verletzbarkeit.

Wir lernen leise
wie eine fremde die eigene Sprache,
schütten aus den Schuhen die Schuld
in den Garten,
der offenes Land wird...









Jana Christina Weinert  - 1990 -

Mittwoch, 18. Juli 2012


Trotzdem
(für R.N. und C.M.)

und trotzdem bin ich meiner nie ganz sicher,
und trotzdem möcht ich lieber weiser sein,
und frag mich ob es gut war - ob's nicht besser,
ich ließe all die briefe, all die worte sein.
ich hielte still und würde lassen,
was auf diese schwere art verschwand,
was schwer durch mich und durch den Freund zu fassen
uns rieb wie im getriebe sand.
da steht man dann und schweigt nur umeinander
und hat sich weh und weh getan.
so bin ich meiner worte nie ganz sicher
und schau was war durch alle spiegel an.

18.07.12
jcw

Nach dem Aufstand

Ihr zeigt uns all die großen Spiegelsäle,
die Tempel und die Parks im Mittagslicht
Erklärt, dass jeder nun in Freiheit wähle
Und dass auch wir den Blick getrost nach vorn gericht
In diesem einig weiten reichen Land
Mit aufsteigender Hitze in den Börsen
Mit stets gefülltem Bauch und leerer Hand

Die Worte stehn euch gut,
wie Sonntagskleider,
und machen fremd,
wie Schleier vorm Gesicht

Wirr lächeln wir dem Pressefotografen,
vom Bürgermeister kommt ein Händedruck,
dass wir die leisen Zweifel beinah Lügen strafen
und glauben möchten wie gedruckt

Am Abend stehen wir müde umeinander
Verlegen, fast wie nach Verrat.
Und plaudern wie verkannte Abenteurer
Von unsrer letzten großen Tat.

J.C.W .
1992

Dienstag, 17. Juli 2012


im schatten 
aller worte
wächst
aus der stille 
geboren
mein
klang


j.c.w.

Einmal 
wie für immer
sind wir zu 
zweit gegangen
Spiegelbruder und ich
einmal
habe ich blind vertraut den Worten
das Gesicht nicht gehört 
hinter 
dem Ton

habe ich mich vergessen
und was ich sah war
Bild 
Illusion
Traum

einmal bricht der Stab 
das Schwert senkt sich
und es teilt nur den Vorhang 
der eisern schien
und sicher
und korrodiert auf der anderen Seite
unterm langen Atem des Todes
der tanzt
in den Rhythmen Lebens 
ewig vergänglicher Klang

die Hand
die sich mir hinstreckte
hatte ich ergriffen
und nicht gesehen
dass 
sie nicht halten wollte
sie wollte gehalten sein

und gab sich als Halt
auf unwegsam
sumpfigem Weg
im heißen Atem des Lebens
tanzt der vergängliche Tod
und versprach mir Flügel
diese Hand
versprach Flügel eines Tages
wären wir nur weit genug

in meiner anderen Hand aber 
lag sie schon
die Freiheit zu fliegen
ich gab sie hin 
für die Aussicht auf Flügel

jetzt sind sie leer
die Hände
beide.
und frei 
fliegt der Traum
aller Aussicht enthoben
und hart bricht die Illusion
und stumpf das Schwert
ewig vergänglicher Klang
ins Leben tanzt der Tod
barfuß
auf steinigem Grund
mit klammen Händen 
klaub' ich 
die Egel mir von den Fersen
im Fluss wasche ich 
die harten Narben 
von den Wunden
und die Schuld
trägt sich ab 
Flügel werde ich 
nicht brauchen
mit dem Fluss fliegt
sich's
hinfort
ewig vergänglicher
Klang

j.c.w.

Donnerstag, 12. Juli 2012

was ich grad mache? 
hab mich wieder beim warten erwischt.... 
und hatte mich doch längst verabschiedet
von godot...
godot gibt kein zeichen...
godot ist ein unzuverlässiger patron... 
godot hat angst vor seinen schöpfungen.... 
hat angst vor seinem gesicht... 
er lenkt sich ab...
wird wohl chatten mit anderen dimensionen...
godot hat die aufschieberitis...
godot lässt mich im regen stehn... 


und kann doch noch immer auf mich rechnen... 
aber nur noch jetzt...denn einmal bin ich weg... 
ohne gewartet zu haben 
und ohne mich umzusehen... 


godot wird seine blumen in fernen glaxien suchen 
und hat doch seinen garten längst bestellt...
godot vergisst... 
...
nun hab ich mich wieder beim warten erwischt. 
und godot ist nicht godot. 
... 
tür zu. 
das wasser aus den schuhen geschüttet. 
alte schuld. 
und der regen bleibt draußen. 
im spiegel 
godots nasses gesicht.

j.c.w.

12.07.12

Montag, 9. Juli 2012








09.07.12
Auf dem Weg zum Einkaufen - einem Weg von max 15 Radminuten - traf ich meine Kolkraben wieder. Nur ließen sie sich nicht fotografieren. Sie waren ganz friedlich mit einer Schar Krähen unterwegs. Auf dem restlichen Weg traf ich Kühe, Wildgänse, Habichtpaar, Taubenschar und mich. Und als mein Fokus sehr zentriert war - sah ich direkt vor mir ein seltsames Pärchen: einen Marienkäfer und einen Grashüpfer. Beide krabbelten am selben Halm, einander nahe, den Halm rauf, um ihn herum und runter und ließen einander dort sein, wo jeder grad war, blieben aber auf "Rufweite", also nie weiter als zwei Zentimeter voneinander entfernt. Die sind bestimmt befreundet oder verliebt ineinander.

Las heut etwas über die narzistische Persönlichkeitsstörung. Und frage mich, ob vielleicht eine Gesellschaft in einer Phase starker Krisenhaftigkeit und oder totalitärer Machtstrukturen, eine Gesellschaft also, in der die Menschen das Gefühl haben, nicht mehr Gestalter ihres Lebens zu sein,  und sich wie ein Spielball der Mächte fühlen, ob also in solcher Zeit der Hang zum narzistischen Größenwahn, gepaart mit Mitgefühllosigkeit noch besonders befördert wird. In einer Zeit auch medialer Omnipräsenz und massiver Fütterung mit Heldenbildern und Idealtypen, einer Normierung auf: Schön, stark, reich, einflussreich, magisch und besonders. Besonders vor allem. Koste es was es wolle.

Dann las ich im aktuellen "Spiegel" über einen Architekten, der von der Presse zu den 30 weltweit wichtigsten jungen Architekten gezählt wurde, der aber bis dato noch kein einziges Haus gebaut hat, der geschickt gemachte Computer-Entwürfe als Fotos gebauter Häuser veröffentlichte. Schöne Entwürfe, sicher. Nur, nichts davon ist oder wird womöglich realisiert. Er verkauft es nur so, als sei es real. Konfrontiert sich nicht mit der Realität, mit der realen Umsetzung und all ihren Unwägbarkeiten... sondern lebt, als sei die Illusion perfekt. Wieder eine narzistische Prägung - und noch eine der harmlosen Art.

Dann las ich von einem Autor, der ein Buch über das Mittelalter schrieb, über die Lebenswelt dort. Und er beschrieb sie im Interview als ausgesprochen mitgefühllos und gewalttätig. Wobei ich denke, auch damals wurde über Klöster und Beginenhöfe das Mitgefühl institutionalisiert, wie heut auch. Im Interview vermisste ich die Eingrenzung: Von welcher Zeit genau sprach er. Das Mittelalter war lang! Aber wie auch immer...ich denke darüber nach, welche Antworten auf unsere Gegenwart die anhaltende Faszination fürs Mittelalterflair offenbart... das bewege ich noch.

Und ich? Ich tue auch grad so, als würde sich meine Arbeit von allein schreiben...... nur dass ich deshalb nun nicht besonders besonders bin - oder? ;-)

Der Einkaufsweg tat unsäglich gut.
Und nun gehe ich doch noch an die Arbeit!!!

Der Moment auf meiner Wiese. das Eintauchen in die Stille. Das Ankommen bei einem ungleichen Paar: Käfer und Grashüpfer. Still werden. Und gar nichts wollen müssen. Das tut einfach gut